Höllentaleingangshütte: Selbstständigkeit am Berg

Am Rand einer Felswand gelegen, 200 Meter über dem Talboden, unmittelbar am Eingang zur Höllentalklamm befindet sie sich: die Höllentaleingangshütte. 2021 übernahm diese ein neues Pächterpaar.

Florian Michailoff erinnert sich noch gut an den Mai 2021. Sie sollten die Höllentaleingangshütte aufsperren und die Sommersaison beginnen. Doch aus dem geplanten Termin wurde nichts, die Höllentalklamm war voller Schnee und Eis. Erst musste eine Alpinbaufirma den Weg durch die Schlucht freipickeln und teilweise gar -sprengen. Nur dann war es möglich, Geländer und abbaubare Brücken – zum Schutz vor der Schneelast des Winters entfernt – wieder zu installieren. Alles in allem ein „ambitionierter Start“, wie der 37-Jährige sagt. Erst zehn Tage später nahm ihre erste Saison auf der Höllentaleingangshütte Fahrt auf.

Von Bariloche zum Höllental 

Michailoff freut sich. Genauso wie seine Partnerin, die fünf Jahre jüngere, aus Argentinien stammende Vesna Sterle: endlich als Hüttenpächter selbst verantwortlich! Und jetzt 2022, zwar die zweite, aber hoffentlich erste Corona-unbelastete Saison. Hüttenerfahrung haben sie beide reichlich. Vesna arbeitete viele Jahre als Köchin, unter anderem im großen Kreuzeckhaus, wo mehr als 300 Mittagessen keine Seltenheit waren. Sie kommt selbst von den argentinischen Anden, aus Bariloche in Nordpatagonien und spürt, wie sie sagt, „eine Liebe zu den Bergen“, die sie ins bayerische Oberland gebracht hat.

Der gebürtige Garmischer Michailoff war im Sozialversicherungswesen tätig, besitzt eine pädagogische Ausbildung und ist seit Jahren gleichzeitig Saisonkraft auf Hütten. Kennengelernt haben sie sich vor zweieinhalb Jahren als Kollegen auf der Reintalangerhütte – genauso wie die ebenfalls argentinischen Saisonkräfte Daniela Cabrera und Cruz Costa, die jetzt auf die Höllentaleingangshütte wechselten.

Tradition Hüttenstammtisch der Höllentaleingangshütte

Sterles und Michailoffs Erfahrungsschatz hat überzeugt. Und zwar den Deutschen Alpenverein, Sektion Garmisch-Partenkirchen, der die Pacht der Höllentaleingangshütte 2020 ausgeschrieben hatte. Der Start in die Selbstständigkeit ist geschafft. In eine Selbstständigkeit, die man allerdings so wollen muss, sagt Michailoff. „Hüttenarbeit ist nicht jedermanns Sache.“ Auf der Höllentaleingangshütte bedeutet das: 150 Tage am Stück von Mai bis Oktober, von 5.00 Uhr morgens bis spätabends. Mehr als ein Vollzeitangestellter auf das ganze Jahr verteilt arbeitet, hat er errechnet.

Los geht es in der Früh, einmal die gesamte Höllentalklamm, für die die Hüttenpächter mitverantwortlich sind, auf und ab laufen. Kontrollgang für kleinere Reparaturen. Lichter in den Tunnels wechseln, wenn sie kaputt sind, Handläufe nachziehen, rutschige Stellen möglichst beseitigen. Ebenfalls morgens: Essen zubereiten, Kuchen backen, Gastraum und Terrasse vorbereiten. Den Tag über: kochen, bewirten, Klammeingangskasse besetzen, Gäste betreuen. Bis 20.00 Uhr hat im Sommer die Klamm geöffnet, die letzten Besucher verlassen erst danach die Hütte.

Und dann gibt es noch den Stammtisch, der gern länger sitzt – Einheimische, die sich für die Abendstunden an den einstündigen Aufstieg von Grainau bis zur Hütte gemacht hatten. „Eine liebgewonnene Tradition“, sagt Michailoff. Die er, wie er überlegt, vielleicht noch ausweiten will. Auch wenn es dann schon mal 23.00 Uhr wird, um ins Bett zu kommen.

Die Höllentaleingangshütte inmitten von Bergen und Ruhe 

Der Reiz der Höllentaleingangshütte ist ein besonderer. Nicht nur, weil sie quasi an der Felswand hängt, „gehen wir auf unser kleines Balkönchen, stehen wir über dem Abgrund“, sagt Sterle. 1912 hat der DAV Garmisch-Partenkirchen sie im Zuge der Erschließung der Klamm quasi in den Felsen gehauen. Zwei Kavernen, ehemalige Stollen, gibt es neben der Hütte, eine dient als Lager, die andere als Raum für Motor und Winde der Materialseilbahn. Was Sterle und Michailoff hauptsächlich schätzen, ist die Ruhe, wenn der tägliche Betrieb abklingt, sowie die imposante Natur der steilen Berge um sie herum und der immer wieder beeindruckenden Klamm. Und natürlich die Verantwortung, dieses Ensemble jetzt zu pflegen.

Kräftig investiert

Dennoch kommen sie ohne „Zivilisation“ nicht aus. Da sind die wöchentlichen Abstiege ins Tal, um die Vorräte aufzufüllen, die die Materialseilbahn dann nach oben schafft. Es gibt die Kläranlage, deren Reste entsorgt werden müssen, was per Spezialfahrzeug geschieht. Zudem sind da der Stromanschluss und die Telefonleitung, die nach heftigem Wetter durchaus einmal unter Windbruch leidet.

Und da sind ihre Investitionen – den Ausbau der Lagerkaverne, der Allrad-Jeep für die Fahrt zur Materialseilbahn, Waschmaschine, Kühl- und Gefrierschrank sowie Küchenequipment. „Aber 2022 sind wir mit dem Investieren durch“, sagt Michailoff. Und ergänzt: „Jetzt zählen nur noch Fleiß und viel Arbeit.“ Für ihre Selbstständigkeit am Berg, für die beide viel wagen.

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